Zukünfte verstehen und gestalten

Future Imaginaries – Eine Definition


Im Rahmen meines Masterstudiums habe ich ausführlicher mit Future Imaginaries beschäftigt. ‚Imaginaries‘ sind als soziologischer Kunstbegriff schon länger etabliert und wurden insbesondere von Charles Taylor geprägt. Er hat den sich mit ‚Social Imaginaries‘ auseinander gesetzt. Ganz allgemein lassen sie sich wie folgt beschreiben:

Wenn gesellschaftliche Vorstellungen so selbstverständlich sind, dass sie nicht mehr hinterfragt werden, sind sie zu Imaginaries geworden. Sie rücken in den Hintergrund und steuern – weitgehend unsichtbar – Entscheidungen und Verhaltensweisen im Alltag.

Imaginaries nach Taylor

Das interessante an Imaginaries ist, dass sie sich weniger mit den rationalen Entscheidungen und intellektuellen Theorien von Eliten befassen, sondern mit den Vorstellungen von Menschen im Alltag:

„I speak of imaginary because I’m talking about the way ordinary people “imagine” their social surroundings, and this is often not expressed in theoretical terms; it is carried in images, stories, and legends. But it is also the case that theory is usually the possession of a small minority, whereas what is interesting in the social imaginary is that it is shared by large groups of people, if not the whole society.“

Charles Taylor, Modern Social Imaginaries, 2002, S. 106

Future Imaginaries definiert

Zukunftsbilder, -visionen und -szenarien sind Vorstellungen von der Zukunft, die von einzelnen oder Gruppen erdacht und propagiert werden. Wenn diese Zukunftsbilder in der Gesellschaft so präsent sind, dass sie nicht mehr hinterfragt werden und unreflektiert das Handeln leiten, sind sie zu Future Imaginaries geworden.

Das Zitat von Taylor ließe sich für Future Imaginaries wie folgt anpassen:

‚I speak of future imaginary because I’m talking about the way ordinary people “imagine” their future, and this is often not expressed in theoretical terms; it is carried in visions, anticipations, and hopes. But it is also the case that theory is usually the possession of a small minority, whereas what is interesting in the future imaginary is that it is shared by large groups of people, if not the whole society.‘

KI als Beispiel für ein Future Imaginary

Ein typisches Beispiel für ein aktuelles Future Imaginary in Deutschland ist die Künstliche Intelligenz (KI). Da weithin erwartet wird, dass sie in der Zukunft eine enorm wichtige Rolle spielt, fühlt man sich von der Bundesregierung bis zum mittelständigen Unternehmer genötigt, eine Strategie für ihren Umgang mit KI liefern zu müssen. Gleichzeitig macht sich ein großer Teil der Bürger Gedanken darum, wie die KI ihr Leben beeinflussen wird. Aber praktisch niemand stellt mehr die Frage, ob KI überhaupt relevant für die Zukunft ist.

Um zu testen, ob es sich um ein Future Imaginary handelt, kann man sich demnach fragen, wie hoch der Widerstand im betrachteten Kontext wäre, würde man im Widerspruch zum Future Imaginary handeln. Je höher der Widerstand, desto wahrscheinlicher handelt es sich um ein Future Imaginary.

Update: Über Future Imaginaries habe ich ausführlich in meiner Masterarbeit geschrieben, die auf Deutsch und auf Englisch verfügbar ist.


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