Das für mich dritte Barcamp ging an diesem Wochenende über die Bühne und ich empfand es als das bisher coolste, was vor allem an einem lag: Freunden. Für mich steht bei Barcamps nach wie vor die Community und das Treffen von Menschen im Vordergrund. Ich fahre weniger zum Lernen und Teachen hin.
Schon lustig, was sich da in den letzten Monaten so entwickelt hat. Beim Barcamp Frankfurt im April schrieb ich danach noch, dass ich mich gefreut habe, den pl0g Mob kennenzulernen. Inzwischen habe ich selbst eine pl0gbar mitorganisiert und die Jungs und Mädels viel besser kennengelernt. Deshalb bin ich diesmal auch direkt im pl0g HQ untergekommen. Haha, schon lange nicht mehr mit drei anderen in einem kleinen Raum mit Penntüten und Lumas geratzt. War extrem lustig, vor allem der Geekfaktor. Morgens haben alle als erstes nach ihren Notebooks gegriffen und gecheckt, was die Twitter-Community so macht. Und keiner hat mit den Augen gerollt… Neben den pl0gies habe ich noch zahlreiche andere Leute getroffen, insbesondere Andre von A Better Tomorrow und Kai von StyleSpion.
Businesskasper
Wie oben schon erwähnt ist das Barcamp für mich ein Community-Event, d.h. lauter Leute mit ähnlichen Interessen treffen sich, um auf gleichem Level miteinander Themen zu bearbeiten, sich zu inspieren und inspiriert zu werden. Leider scheint die deutsche Web-2.0-Startup-Szene das ein bisschen anders zu sehen. Für sie ist Barcamp gleichbedeutend mit kostenlose Möglichkeit, die Zielgruppe mit Promo zu zubomben. Und so war der Samstag für mich leider eher negativ belegt, weil mir die ganzen Businesskasper tierisch auf den Sack gingen.
Es schien so, als würde jeder zweite mit einer URL auf dem Rücken rumrennen und Merch in die Menge schmeißen. Ich hab gar nix dagegen, wenn Unternehmen bei Kongressen und Messen ihre Zeug promoten. Aber Barcamps sind OpenSpace-Events, wo so etwas nichts verloren hat, meiner Meinung nach.
Ich hab auch nix gegen Sponsoring. QSC hat die Räume und fantastisches Essen zur Verfügung gestellt und sich trotzdem dezent im Hintergrund gehalten. Aber mir geht es deutlich zu weit, wenn Leute bei der Vorstellungsrunde vor die Sponsorentafel gezerrt werden, damit die auf der Videoaufnahme sichtbar sind.
An der Stelle sei lobend erwähnt, dass es die Sponsoren diesmal nicht aufs T-Shirt gepackt haben, womit dieses in der Öffentlichkeit tragbar geworden ist. Sehr cool!
Ich bin auch dankbar für Bier-Sponsoren. Aber wenn jeder, den man fragt das Produkt des Sponsors für totalen Müll hält würde ich mein Geld und meine Zeit lieber drauf verwenden, das Ding fit zu machen als Pseudo-Stimmung und NewEconomy-Feeling bei der Party zu verbreiten.
Also, liebe Businesskasper, es gibt eine Fülle von Web-2.0-Kongressen und -Events in Deutschland. Wenn ihr Geldgeber sucht und werben wollt, dann geht doch dahin. Wenn ihr zum Barcamp kommen wollt, erwarte ich, dass ihr euch vor allem über Kompetenz in den Sessions bemerkbar macht.
Knips-Wahnsinn
(Bild von Dennis Knake)
Noch eine Sache hat mich diesmal so sehr gestört, wie nie zuvor: die permanente Knipserei. Ich glaube, ich habe noch nachts im Schlaf ständig eine DigiSLR neben mir auslösen gehört. Bei der Vorstellungsrunde am Samstagmorgen war es unerträglich. Ich stand halt relativ weit vorne. Neben mir irgendein Fritz, der von jedem nicht ein, sondern gleich 10 Bilder mit der Serienbildfunktion machen musste. Dazu kamen zwei Videokameras, die einen ständig im Fokus hatten oder auch gerne mal von hinten kam, um heimlich zu filmen, was man gerade so auf seinem Bildschirm hatte. Würde behaupten, dass ich in meinem ganzen restlichen Leben zusammengenommen noch nie soviel fotografiert und gefilmt wurde wie am Samstag allein.
Würde ein Deal vorschlagen: Wenn ihr eure Kameras im Rucksack lasst, lasse ich mein Notebook auch dort und höre euch bei euren Sessions zu.
(Bild von MrTopf)
Sonntag = das wahre Barcamp
Nachdem ich mich am Samstag etwas zu sehr von den Businesskaspern und Dauerknipsern habe die Stimmung versauen lassen (was man sehr schön an meinem Twitterfeed sehen konnte) habe ich mir für den Sonntag vorgenommen, nur das positive zu bemerken. Interessanterweise war das überhaupt kein Problem, da die meisten Businesskasper Sonntags gar nicht mehr auftauchten und die Runde insgesamt deutlich kleiner und community-mäßiger wurde.
Der Barcamp-Sonntag ist echt ein interessantes Phänomen. Es sind deutlich weniger Leute da. Alle sind ein bisschen müde und nicht mehr so aufgedreht. Das Promo-Material ist unter die Leute gebracht und vor allem haben auch die Rookies verstanden, was eine Session ist und wie sie aussehen kann. Die meisten von denen, die das erste Mal dabei sind, sind Samstags noch etwas verunsichert, ob sie denn überhaupt was beitragen können und trauen sich noch nicht so richtig. Samstagabend haben sie dann bemerkt, dass alle anderen auch nur mit Wasser kochen und bieten Sonntag mal direkt ne eigene Session an. Somit steht Sonntags immer noch ein bisschen mehr Knowledge zur Verfügung.
Besuchte Sessions
Samstags habe ich drei Sessions besucht. In der ersten ging es um die aktuelle Rechtslage, was User Generated Content angeht. War eine sehr praktische, fundierte und lehrreiche Session, die vor allem von zwei sehr sympatischen Rechtsanwälten gehalten wurde (Rechtsanwälte sind in der Web-Community ja eher auf einem Sympatielevel mit Bush und Softwarepatente-Lobbyisten).
(Bild von Dennis Knake)
Danach war ich noch bei zwei Sessions von Patrick Breitenbach. Der Mann ist einfach eine unglaubliche Workshopsau. Gib ihm ein Stift und ein Flipchart und er legt dir eine kompakte, einfach verständliche und nichtsdestotrotz ungemein hilfreiche Session hin. Hab ihn einmal zum Thema Community-Management und einmal zum Thema Kreativitätstechniken gesehen. Beides sehr spannend.
(Bild von Dennis Knake)
Am Sonntag habe ich mir nur die Polizeisession gegeben, weil die vorher schon als der Geheimtipp schlechthin gehandelt wurde. Ein Mitarbeiter des LKA NRW erzählt in der Session darüber, was die Polizei so im Web macht und welchen Problemen sie sich ausgesetzt sieht. Als extrem witzig und web-2.0-affin aufbereitet.
Meine Sessions
Ich selbst hatte schon lange meine GTD-Session im Barcamp-Wiki angekündigt, wo sie lustigerweise bis zum Schluss die am meisten nachgefragte Session des Baracmps war. Um die Hardcore-Barcamper zu belohnen, hatte ich sie auf den Sonntag gelegt.
Da ich es für sinnlos halte, in 45 Minuten ein komplexes System wie GTD zu erklären, hatte ich mich dafür entschieden, nur die Grundprinzipien zu erläutern und das, was GTD ausmacht, damit die Besucher der Session selbst entscheiden konnten, ob sie das Thema interessiert und sie sich das Buch zulegen wollen.
Das Prinzip ging nach meinem Gefühl aber nicht wirklich auf. Woran das genau liegt ist schwer zu sagen.
Spontan habe ich noch ne Facebook-Einführungssession gemacht, nachdem Samstagabend in der Schlange vor dem Grill einige ihr Interesse bekundet hatten. Also habe ich mit Sebastian zusammen einfach nur die Basics von Facebook gezeigt ohne jegliche Vorbereitung. Hat trotzdem einigen was gebracht, soweit ich das mitbekommen habe.
Fazit
Ich habe das Wochenende sehr, sehr genossen, auch wenn ich eigentlich ständig müde war. Aber die Zeit mit jeder Menge coolen Leuten hat das allemal wett gemacht.
(Bild von .dean)
Shouts gehen raus an: Mr. Dean und schocki vom pl0g Mob, die wundervolle Gastgeber waren. cbgreenwood aka Grüni, mit dem ich das Wochenende verdammt viel Spaß und eine entspannte Heimreise hatte. Pauli, meine IA-Verbündete. Kai (StyleSpion), weil er seine Kamera in der Tasche gelassen hat. Andre (A-B-T) für Einblicke in das Leben eines Mailorders. mc_o (ebenfalls pl0g) für trockene Kommentare. Collin für den neusten Schnack aus Mitte.
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