Ende April 2025 kam die Anfrage über mein Kontaktformular: BE-terna, einer der führenden europäischen Anbieter für Geschäftssoftwarelösungen, plant seinen ersten Digital Summit. Zwei Tage in München, 150 bis 200 Teilnehmende aus verschiedenen Branchen: Fertigung, Prozessindustrie, Finanzdienstleistungen. Das Motto: „Redefine Tomorrow“. Ob ich mir vorstellen könnte, die Opening-Keynote am zweiten Tag zu halten?
Ich konnte.
Was dann folgte (von Mai bis November), war ein Prozess, den ich hier zum ersten Mal öffentlich beschreibe. Nicht weil er besonders spektakulär wäre, sondern weil ich immer wieder gefragt werde, wie eine Keynote entsteht.
Verstehen, bevor man spricht.
Bei jeder Anfrage ist mein erster Schritt derselbe: zuhören. Im Briefing-Gespräch mit dem BE-terna-Team wollte ich vor allem verstehen, für wen ich spreche: Wer da im Publikum sitzen würde und was diese Menschen gerade beschäftigt.
Die Antwort: Entscheidungsträger und Fachexperten aus dem Mittelstand, Menschen, die an digitalen Transformationsprojekten arbeiten oder sich zumindest dafür interessieren. Das technische Verständnis im Raum würde heterogen sein: von IT-affinen Experten bis zu strategischen Entscheidern ohne tiefes technisches Fachwissen. Und ihre Themen? KI-Integration, Supply-Chain-Herausforderungen, die Frage, wie man von der Reaktion zur Aktion kommt. Was in den Gesprächen aber besonders deutlich wurde: eine gewisse Skepsis gegenüber rein futuristischen Visionen. Diese Teilnehmenden suchen nach Orientierung, nicht nach Science-Fiction.
Aus diesem Verständnis entwickelte ich ein Rebriefing, ein ausführliches Dokument, das ich bei jeder Vortragsanfrage erstelle. Es stellt sicher, dass Veranstalter und ich uns richtig verstanden haben, und ermöglicht dem Team, intern präzise weiterzugeben, worum es in meinem Vortrag gehen wird. In diesem Fall ergaben sich aus dem Kontext zwei Optionen: entweder eine essenzielle Betrachtung des Konzepts „Zukunft“ als Gestaltungsraum oder eine spezifischere Auseinandersetzung mit KI als kulturellem Phänomen.
BE-terna nahm beide Optionen mit in die inhaltliche Planung für das weitere Event.
Die Entscheidung: Zukunft gestalten
Anfang September entschied sich BE-terna für die erste Option: Zukunft als Gestaltungsraum. Die Keynote würde sich trotzdem mit KI beschäftigen, aber aus der Perspektive des Gestaltens, nicht als Kernthema.
Das passte gut zum Programm: Der CEO würde bereits über KI allgemein sprechen, andere Sessions behandelten konkrete KI-Anwendungen. Meine Rolle war eine andere.
Eröffnungskeynotes haben für mich eine ganz bestimmte Funktion in der Dramaturgie einer Veranstaltung: Sie holen ein Publikum zusammen, das aus unterschiedlichsten Kontexten kommt, und richten es auf den Tag aus: mit einem gemeinsamen Vokabular, einem geteilten Mindset und der Frage, was man von diesem Tag mitnehmen will. Eine gelungene Eröffnung bereitet den Rest der Veranstaltung vor, sie gibt den Rahmen, in dem alles Weitere stattfindet.
Für den BE-terna-Summit hieß das konkret: das Motto „Redefine Tomorrow“ mit Leben füllen und die Frage stellen, warum wir bestimmten Zukunftserzählungen glauben. Und welche Alternativen es gibt.
So entstand der Titel: Redefining tomorrow – Zukünfte gestalten ohne Hype
Der längere Vorlauf ermöglichte noch etwas anderes: Ich produzierte ein kurzes Video für die Social-Media-Kanäle von BE-terna, in dem ich einen Vorgeschmack auf die Keynote gab. Solche begleitenden Inhalte helfen Veranstaltern, ihr Event im Vorfeld zu bewerben, und ich biete das gerne als Teil der Zusammenarbeit an.
Zwei Tage, zwei Formate
Schon im ersten Gespräch schlug ich vor, am Vortag dabeizusein. Nicht weil es verlangt wurde, sondern weil ich das Publikum erleben wollte, bevor ich vor ihm stehe. BE-terna nahm das Angebot an und setzte mich auf das Panel „KI im Unternehmensalltag“ am ersten Abend, gemeinsam mit Kollegen, Partnern und Kunden.

Genau der Einblick, den ich mir erhofft hatte: die gestellten Fragen, die Stimmung im Raum, die Themen, die die Leute wirklich beschäftigten. Ein Teilnehmer erzählte, wie sein 15-jähriger Sohn sich Matheaufgaben von ChatGPT ins Ohr flüstern lässt. Eine andere beschrieb, wie ihre Tochter mit ChatGPT streitet: buchstäblich, lautstark, mit Argumenten. Diese Geschichten nahm ich mit in den nächsten Morgen.
Im Panel brachte ich außerdem ein Konzept ein, das mich seit Jahren beschäftigt: den Cultural Lag. Normalerweise kommt Technologie zuerst, und die Kultur hinkt hinterher. Bei KI ist es umgekehrt. Wir haben seit Jahrzehnten Science-Fiction-Bilder von künstlicher Intelligenz im Kopf. Die Technologie kam erst in den letzten Jahren an die innere Erwartung heran. Das macht KI besonders anfällig für Hype- und Storytelling-Strategien, weil wir sie immer durch die Brille dieser vorgeprägten Erwartungen betrachten.
Die Keynote: „Zukünfte gestalten ohne Hype“
Am nächsten Morgen um 10 Uhr: Opening des zweiten Tages, 30 Minuten für die Keynote.
Ich startete mit einer Beobachtung: „Zukunft gestalten“, das liest man derzeit überall. Auf Plakaten, bei Parteitagen, sogar auf Bieretiketten. Wenn so ein Slogan populär wird, erzählt uns das etwas über die Zeit, in der wir leben: dass wir uns mehr Gestaltungsmacht wünschen, als wir empfinden. Aber was genau meint eigentlich „Zukunft gestalten“?

Von dort aus entwickelte ich die zentrale These: „Zukünfte sind nichts anderes als Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen.“
Und damit zum Hype, dem Elefanten im Raum bei jeder KI-Diskussion. Wie entsteht ein Hype? Ein bestimmtes Narrativ wird immer wieder wiederholt: Das ist die Zukunft, das wird das nächste große Ding, jeder muss dabei sein. Je mehr Leute es wiederholen, desto höher die Erwartungen, und je höher die Erwartungen, desto mehr Menschen handeln danach. Was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Zukunft tatsächlich eintritt. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der den Kampf darum, welches Zukunftsnarrativ gerade gewinnt, so interessant macht. Und so wichtig.
Ich zeigte Beispiele von Tech-Unternehmern, die ihre Zukunftsnarrative mit enormen Ressourcen vorantreiben: Mark Zuckerberg, Sam Altman, Elon Musk. Sie erzählen genau die Geschichten über die Zukunft, die zu ihrem eigenen Vorteil dienen. Mein Punkt dabei: „Wenn wir nicht unsere eigenen Zukunftsbilder entwickeln, agieren wir automatisch in den Zukünften dieser Männer.“
Aber wie kommt man da raus? Nicht durch noch mehr Hype, sondern durch Substanz. Ich sprach über die Effizienzfalle: Wir neigen dazu, KI auf bestehende Systeme draufzusetzen: hier ein wenig schneller, dort ein wenig automatisierter. Aber neue Technologien haben nie nur bestehende Prozesse beschleunigt, sie haben ganze Systeme verändert. Als der Aufzug erfunden wurde, war die Konsequenz nicht, dass wir schneller vom ersten in den dritten Stock kamen. Die Konsequenz war, dass wir Städte komplett anders bauen konnten.

Und dann: „Worte kreieren Welten.“ Wenn wir ständig von „Agenten“ und „KI-Coworkern“ sprechen, bauen wir bestimmte Erwartungen auf, und manchmal verlernen wir dabei, dass das alles nur Metaphern sind. Meine Einladung an die Teilnehmenden war deshalb, in den Sessions des Tages wirklich in die Substanz zu gehen, nicht bei den Metaphern stehenzubleiben, sondern zu fragen: Wie funktioniert das wirklich?
Zum Schluss eine konkrete Übung: „Stellt euch vor, es ist Digital Summit 2030 und ihr werdet eingeladen, hier auf der Bühne euren Erfolg zu präsentieren. Was erzählt ihr?“ Und der Rat, den ich den Teilnehmenden für den Tag mitgab: „Achtet auf dieses Kribbeln. Immer wenn ihr so unruhig werdet, wenn etwas komisch scheint: Da passiert gerade was, was spannend sein könnte.“
Was BE-terna dazu sagt.
Nach dem Event erreichte mich dieses Feedback der beiden Hauptorganisatorinnen Selina Ostermann und Stefanie Wienberg:
„Johannes hat sich mit großem Engagement in das Thema und unsere Zielgruppe eingearbeitet und dabei große Eigeninitiative gezeigt. Seine Keynote war nicht ‚von der Stange‘, sondern wurde sehr spezifisch auf unser Event, die Teilnehmenden und die übergeordnete Thematik zugeschnitten. Er ist offen, kompetent und bringt spannende, zukunftsorientierte Ansätze ein – die Zusammenarbeit mit ihm können wir nur empfehlen und wir werden auch in Zukunft sehr gerne wieder auf ihn zurückkommen.“
An dieser Stelle meinen herzlichen Dank an die beiden und den Rest des Teams bei BE-terna. Das war für mich eine ideale Zusammenarbeit.
Für Veranstalter
Wenn Sie eine Keynote planen: Sprechen Sie mich an. Anders als viele Speaker, die mit fertigen Vorträgen anreisen, arbeite ich gerne mit Veranstaltern an einer Lösung, die zu ihrem spezifischen Kontext passt. Wie intensiv diese Zusammenarbeit aussieht, hängt von Ihren Wünschen, Ihrem Zeitrahmen und Ihrem Budget ab.
Kurzfristige Anfragen sind möglich. Mehr Vorlauf ermöglicht fundiertere Vorbereitung und eröffnet Möglichkeiten wie begleitende Promotion-Inhalte.
Ich halte Vorträge zu Zukunftsgestaltung, KI und Arbeit und dem Umgang mit Unsicherheit, ob als Keynote, im Panel oder als Workshop. Jedes Event ist anders, jedes Publikum hat andere Fragen. Und genau das herauszufinden ist für mich der erste und wichtigste Schritt.
Alle Fotos: © Jan Hütz
