Flexible Arbeitszeiten statt Blackberry
Es passiert mir ja eher selten, dass ich mit einem Spiegel-Online-Artikel völlig einer Meinung bin. Aber in dem Fall ist es wenig verwunderlich, weil ich mit den Ergebnissen der Studie, um die es in dem Artikel geht, völlig übereinstimme. In dieser Studie wurden Angestellte aus allen Bereichen der Wirtschaft nach ihren Wünschen für Benefits und Belohnungen neben dem Gehalt gefragt. Wenig überraschend für mich fallen dabei Dinge wie der Firmenwagen oder der eigene Blackberry praktisch durch. Ganz oben auf der Wunschliste stehen dafür flexible Arbeitszeiten und ausführliche Fortbildungsmöglichkeiten.
Geldwerte Benefits, vom Vorsorgesparen über das Versicherungspaket bis zum Firmenwagen und dem Blackberry auf Firmenkosten, fallen in der Gunst der Beschäftigten weit zurück. Klar vorn rangiert hingegen der Wunsch, sich die Arbeit flexibler einzuteilen, sich weiterzuentwickeln und mehr Zeit zu haben für Freizeit und Familie.
Das Fachkräfte-Problem der Agenturen
Der Artikel geht dann weiter darauf ein, wie wenig Arbeitgeber diese Interessen derzeit auf dem Schirm haben.
„Die Ergebnisse bestätigen unsere Vermutung, dass viele Firmen noch nicht gerüstet sind für den Krieg um Talente“, sagt Agentur-Geschäftsführerin Heike Fiebes. „Denn ihre Gehaltspakete sind unverändert an monetären Benefits ausgerichtet, während Mitarbeiter und Bewerber sich aber eher die weichen Leistungen wünschen.“
Und das bringt mich zum eigentlich Kern dieses Blogbeitrags. Wenn man sich nämlich die Agenturlandschaft ansieht, stellt man fest, dass sie wohl am wenigsten diese Bedürfnisse ihrer Angestellten erkannt hat.
Dabei hätte sie es am dringendsten nötig. Denn die Agenturen plagt ein massives Fachkräfte Problem. Man findet einfach keine Leute. Nach dem Zusammenbruch der New Economy hat man es umfassend verpasst, in den Nachwuchs zu investieren. Der geht dann heute lieber direkt in die Industrie, weil er dort mehr Geld bekommt, kaum Überstunden machen muss und bessere Aufstiegschancen hat.
Oder man wird gleich Freelancer. Nie waren die Umstände dafür so günstig. Man kann fast nach Belieben die Tagessätze diktieren, weil den Agenturen die Alternativen fehlen.
Dabei sind die Agenturen selbst schuld, sie bieten auch praktisch keine Anreize mehr. Die meisten Personaler in Agenturabteilungen glauben immer noch, dass die Agenturbranche sexy genug sei, um das als einziges Argument für einen Arbeitsplatz in einer Agentur anzuführen, denn mehr hat man derzeit einfach nicht zu bieten. Für den Arbeitsplatz bekommt man dann schlechte Bezahlung, massive Überstunden und den Burnout mit Anfang vierzig.
Was einst als Zugnummer galt bei der Wahl des Arbeitsplatzes, steht heute eindeutig im Schatten der weichen Faktoren. Denn ein noch so attraktives Gehalt schützt nicht vor Frust und Burnout, wenn geschuftet wird, bis der Arzt kommt, weil Firmen ihre Talente verheizen wie billige Ressourcen.
Mich fasziniert es immer wieder, wie eine ganze Branche, die sich doch im Allgemeinen so gut darauf versteht, die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten zu durchleuchten und frühzeitig Trends und Entwicklungen zu erkennen, bei ihren eigenen Mitarbeitern völlig versagt. Die Branche gibt sich doch sonst so progressiv und zukunftsorientiert. Aber beim Thema Arbeitsformen und Mitarbeitermotivation ist man unglaublich konservativ. Es herrscht ein totaler „Das funktioniert nun mal so und daran lässt sich nichts ändern“-Geist.
Was können Agenturen tun?
Für die großen Agenturen entscheiden die Kreativrankings und Awards über Leben und Sterben. Wie wäre es statt die Top-Platzierung im Kreativranking als Ziel zu haben, mal ein Jahr die Auszeichnung „Bester Arbeitgeber“ anzuvisieren? Man stelle sich vor, wie einem die Agentur im Vorstellungsgespräch (bei der aktuellen Lage stellt sich dabei eher die Agentur vor als der Kandidat) nicht nur ein paar Cases zeigt, sondern dann diese Auszeichnungen und z.B. ein ausführliches Fortbildungsprogramm präsentiert. Was würde passieren, wenn man dafür bekannt wäre, als erste Agentur ein ordentliches Teilzeitmodell eingeführt zu haben? Oder wenn man Mitarbeitern direkt eine Lösung mit Home-Office-Tagen anbietet?
Ich glaube einfach, dass entspannte und vor allem motivierte Mitarbeiter langfristig zu viel besseren Kreativleistungen in der Lage sind. Und womit man Mitarbeiter motiviert, hat die Studie oben ja klar gezeigt.
Die Botschaft der Mitarbeiter und Bewerber an die Unternehmen könnte eindringlicher nicht sein: „Ich stelle lediglich dann meine gefragte Arbeitskraft zur Verfügung, wenn ich höhere Wertschätzung erfahre und wenn auf meine Bedürfnisse deutlich mehr Rücksicht genommen wird.“
Ich weiß nur, dass für mich und meine Generation Gehalt und Aufstiegschancen immer unwichtiger werden. Das wichtigste, was mir ein Arbeitgeber bieten kann ist Zeit und Wissen. Deswegen werden die die besten Leute bekommen, die die größte Flexibilität und die besten Fortbildungsmöglichkeiten anbieten. Und wenn wir diese Wertschätzung unseres Talents wahrnehmen, können wir auch sehr, sehr loyal sein. Agenturen, ihr habt’s in der Hand.
Was könnten Agenturen noch tun, um wieder attraktiver für Talente zu werden?
Update: Martin Recke antwortet aus Sicht der Agentur und untersucht das Fachkräfteproblem. 37signals ermuntern dazu, die Angestellten als Kunden zu betrachten.
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