Zukünfte verstehen und gestalten

Veränderungen Teil 4 – Viele Abschiede


Nachdem mir klar wurde, dass das meiste, was ich in meinem ersten Jahr der Selbstständigkeit getan hatte, nicht gerade nahe an meinen Berufungen und Talenten lag, galt es die Chance der Situation zu nutzen und einige größere Veränderungen in der Ausrichtung meines Arbeitslebens vorzunehmen. Dazu musste ich mich zunächst von einigen Dingen verabschieden, die mein bisheriges Arbeiten bestimmt hatten.

Projektmanager adé

Von meiner Berufung Menschen zu helfen her hatte ich für mich die Position des Projektmanagers so definiert, dass er jemand ist, der seinen Kreativen den Rücken frei hält, damit sie ihre Arbeit machen können, während er sich um den Rest des Projekts, den Verwaltungskram und die Anfragen von außen kümmert. Diese Definition hat für mich in der Realität nicht funktioniert, weil in der Regel ein Projektmanager immer noch in einer leitenden Position gesehen wird. Sowohl managen als auch leiten sind beides Dinge, die mir nicht liegen. Mir fehlt einfach das Talent dazu. Ich bin nicht gut darin, viel rumzutelefonieren und ein Projekt durchzuplanen. Ich kann nicht gut moderieren und lasse mich eher herumschubsen als eine Meinung zu verteidigen.

Damit ich produktiv in einem Job arbeiten kann, muss mehr zusammenkommen als eine vorhandene Berufung und viele geforderte Talente, die ich nicht habe. Ich kann mich nicht gut selbst disziplinieren. Damit ich etwas geschafft bekomme, muss die Motivation von allein kommen. Es darf sich nicht wie Arbeit anfühlen. Fast jede größere Aufgabe braucht am Anfang Überwindung. Aber wenn ich mal begonnen habe, muss es für mich wie von selbst gehen, damit ich dran bleibe, wie z.b. bei Blogartikeln. Ich muss mich jeden Morgen überwinden, tatsächlich anzufangen. Aber sobald der erste Absatz geschrieben ist läuft es und es fällt mir leicht so wie heute über 1000 Worte pro Tag zu schreiben. Für solche Arbeit, die mir liegt bzw. die meinen Talenten liegt, brauche ich nur Disziplin zum Anfangen. Für Projektmanagement dagegen brauche ich Disziplin, um die Arbeit durchzuziehen. Wie häufig habe ich auf die Uhr gesehen und gedacht „Ok, das hier machst du jetzt noch für eine halbe Stunden und dann machst du erstmal wieder eine Pause.“ Wahrscheinlich gehört diese Form der Arbeit zum Leben dazu und lässt sich niemals vermeiden. Aber immerhin habe ich mich ja selbstständig gemacht, um so nah wie möglich an meine eigenen Vorstellungen von Arbeit und Beruf heranzukommen. Deswegen wurde es nach diesen Erkenntnissen Zeit Projektmanagement aus meinem Profil zu streichen.

Konzepter adé

Als ich schon dabei war, sehr ehrlich zu überlegen, wo meine Talente liegen und insbesondere auch wo sie nicht liegen, kam auch meine Arbeit als Konzepter auf den Prüfstand. Der Job Konzepter ist noch viel frischer als der des Projektmanagers und deshalb auch noch weniger definiert und etabliert. Klar ist im Moment nur, wie sehr Konzepter gebraucht werden, was die zahlreichen Jobangebote im letzten Jahr mehr als deutlich machen.

Nach meinem Verständnis ist ein Konzepter jemand, der eine grobe Idee in ein innovatives, umfangreiches und detailliertes Konzept umwandelt, dass direkt an die Grafiker und Programmierer für die Umsetzung weitergegeben werden kann. Ein Konzepter muss kreativ sein, gut formulieren und präsentieren können. Er braucht ein breites Wissen über Technik, Gestaltung und Marketing sowie viel Erfahrung.

Das Handwerkszeug zum Konzepter habe ich durch meine Studium mitbekommen. Da kann ich wirklich nicht klagen. Ich wundere mich eher immer wieder, warum nicht mehr MSDler als Konzepter arbeiten. Trotzdem gibt es zwei gravierende Gründe für mich zwar noch durchaus konzepter-ähnliche Tätigkeiten wahrzunehmen, aber nicht mehr Konzepter auf meiner Visitenkarte stehen zu haben.

Der erste Grund ist meine fehlende Fähigkeit kreativ zu sein. Ich kann vieles, aber ich kann mir einfach keine neuen Sachen einfallen lassen. Ich kann keine frischen Ideen produzieren. Alles, was ich mache ist ein Remix von etwas, was ein anderer zuvor erfunden oder entdeckt hat. Das mag sogar für viele Agenturprojekte ausreichend sein, reicht meinem persönlichen Anspruch aber nicht. Wenn ich als Konzepter bezahlt werde will ich auch innovative Konzepte liefern, die vorher noch nie da waren. Aber das kann ich leider nicht. Das einzige Umfeld, wo ich ansatzweise kreativ bin ist im Team. Wenn man gemeinsam überlegt und Ideen hin und her wirft gelingt es mir hin und wieder mit anderen gemeinsam etwas neues zu entwickeln. Das wiederum funktioniert aber mit den meisten Agenturen nicht, weil hier der Konzepter als jemand verstanden wird, der ein Briefing mit Nennung der groben Richtung und des Budgets bekommt, sich dann bitte verkriecht und zwei Wochen später mit dem fertigen Konzept wieder auftaucht.

Zum zweiten Grund komme ich gleich. Ich will aber noch mal klar machen, dass beim Konzepter für mich der Abschied nicht so definitiv ist, wie beim Projektmanager. Ich werde nicht mehr als Projektmanager arbeiten, das ist für mich völlig klar. Wie meine Arbeit als Konzepter weitergeht hängt auch sehr davon ab, wie sich dieser Job in den nächsten Jahren außerhalb der großen Agenturen entwickelt. Denn der zweite Grund nicht mehr als Konzepter arbeiten zu wollen hängt damit zusammen, dass ich vorerst nicht mehr für Agenturen arbeiten möchte.

Agenturen adé

Neben der Arbeit für eine Agentur habe ich im letzten Jahr einige Angebote von anderen Agenturen bekommen. In der Regel bin ich immer erstmal hingegangen, um die Leute kennenzulernen und zu schauen, wie flexibel sie bei ihren Vorstellungen einer Zusammenarbeit sind. Dadurch habe ich einen gewissen Einblick in die Denk- und Arbeitsweise von Agenturen gewinnen können und bin mir nun meiner Entscheidung für die Selbstständigkeit noch sicherer. Ich wüsste einfach nicht, wie lange ich es in einer Agentur aushalten würde.

Die meisten Agenturen arbeiten nach einer strikten Top-Down-Hierarchie. Das führt dazu, dass der Chef seine Untergebenen gerne Vorort haben möchte, damit das Team besser zusammenarbeitet, man schnell auf Veränderungen reagieren kann und jederzeit Meetings einberufen werden können, um es mal sarkastisch auszudrücken. In so einem System von ständigen Unterbrechungen gepaart mit einer rigiden Anwesenheitspflicht, würde ich komplett untergehen. Denn auch wenn ich mich nicht lange auf eine Sache konzentrieren kann, so muss ich mich doch überhaupt konzentrieren können. Wenn ich dann auch noch immer da sein muss wird es für mich ganz schwer. Wie schon gesagt funktioniere ich am besten in einem Team von Gleichberechtigten und das gilt auch, wenn ich nicht der Projektmanager bin.

Selbst wenn ich nicht festangestellt wäre und nur projektweise dazukäme, so konnte sich doch keine der Agenturen, mit denen ich gesprochen habe, dafür erwärmen, dass ich nur einen kleineren Teil der Zeit vor Ort wäre. Das Problem bei Agenturen im Zusammenhang mit dem Konzeptersein ist auch, dass Agenturen gerne Konzepter und Projektmanager zusammenlegen bzw. den Konzepter umfangreich in die Umsetzung des Konzepts involvieren. Der Konzepter soll Verantwortung übernehmen und das geht nach der Funktionsweise der meisten Agenturen nur Vorort. Selbst bei der Agentur in Berlin, die in vielen Bereichen flexibler (weil kleiner) war, kam immer wieder durch, dass sie mich langfristig in Berlin haben wollten, was der zweite große Grund war, warum wir die Zusammenarbeit beendet haben.

Zu Beginn meiner Arbeit als Selbstständiger im letzten Jahr war ich auch noch sehr aufgeschlossen. Ich war eigentlich zu allem bereit, was nicht 100% Festanstellung vor Ort war. Vier Wochen für ein Projekt vorbeikommen? Kein Problem.

Inzwischen sehe ich das anders, wie ich das schon beschrieben habe. Ich kann nur ganz schwer produktiv sein, wenn ich nach dem Rhythmus anderer arbeiten muss. Agenturarbeit bedeutet genau das. Dazu bin ich nach fünf Monaten auch Achse auch sehr reisemüde geworden. Im Gegenzug merke ich, wie gut es mir in den letzten Wochen getan hat auf Dauer hier in Karlsruhe zu sein und langsam wieder zu meinem eigenen Rhythmus zurückzufinden. Andere mögen keine Probleme mit ständigem rumreisen haben. Für mich ist das nichts, was aber auch nicht heißt, dass ich nicht mehr reisen werde. Nur werde ich bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr woanders für länger arbeiten.

Neben den Differenzen zwischen mir und Agenturen, was den Arbeitsstil betrifft, habe ich auch ideelles Problem mit der meisten Agenturarbeit. Wenn ich mir ansehe, wie Freunde sich abschaffen, die bei Agenturen arbeiten, frage ich mich was für eine Arbeitsauffassung dort herrscht. Wie gesagt, ich habe keine Problem mit Stress und schaffe auch gerne mal eine Nacht durch. Aber dafür, dass Firma XY jetzt auch einen Spielplatz in Second Life oder das Unternehmen YZ jetzt auch Flashvideos auf seiner Webseite hat? Ich habe kein grundsätzliches Problem mit solchen Projekten. Aber ich habe ein Problem mit Agenturen, die von ihren Mitarbeitern dafür 70-Stunden-Wochen verlangen, um ihre Kunden mit me-too-Projekten zu befriedigen. Nennt es Idealismus, nennt es Beeinflussung durch ‚Wir nennen es Arbeit‘, aber ich mag da einfach nicht mitmachen.

Mit der Arbeit für Agenturen stirbt somit für mich auch vorerst die Arbeit als Konzepter, weil die derzeit noch sehr eng miteinander verbunden sind. Insgesamt habe ich mich damit von fast allem verabschiedet, womit ich im letzten Jahr mein Geld verdient habe. Ein radikaler Schnitt der gleichzeitig weh und gut tut.

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0 Antworten zu “Veränderungen Teil 4 – Viele Abschiede”

  1. Hi,

    du hast uns in der letzten Zeit sehr viel an Dingen teilhaben lassen, die dich umtreiben und die du nicht mehr machen möchtest. Ich frage mich bei den Dingen die du nicht machen möchtest, was du denn nun machen möchtest… Was ist deine Idealvorstellung von der Arbeit? Was wäre denn für dich, neben der Tatsache, dass es sich um eine freiberufliche Tätigkeit mit Eigenverantwortung und eigenen Regeln handelt, die ideale Beschäftigung? Evt. nicht ganz so eingeengt gesehen beschränkt auf eine Tätigkeit, aber evt. grenzt du mal ein wenig ein, was übrig bleibt. Ich mein du hast gesagt was du gerne machst, aber es schwingt immer ein bischen aber mit. Gibt es etwas für was du dich begeistern kannst? Eigenverantwortliche Projekte von A-Z mit einem eigenem Team in dem es einen Projektmanager gibt, der den Teil organisiert den du nicht organisieren willst und der evt. dir den Rücken frei hält für deine Arbeit?

    Fragen über Fragen Grüße aus Hamburg

  2. Hi,

    du hast uns in der letzten Zeit sehr viel an Dingen teilhaben lassen, die dich umtreiben und die du nicht mehr machen möchtest. Ich frage mich bei den Dingen die du nicht machen möchtest, was du denn nun machen möchtest… Was ist deine Idealvorstellung von der Arbeit? Was wäre denn für dich, neben der Tatsache, dass es sich um eine freiberufliche Tätigkeit mit Eigenverantwortung und eigenen Regeln handelt, die ideale Beschäftigung? Evt. nicht ganz so eingeengt gesehen beschränkt auf eine Tätigkeit, aber evt. grenzt du mal ein wenig ein, was übrig bleibt. Ich mein du hast gesagt was du gerne machst, aber es schwingt immer ein bischen aber mit. Gibt es etwas für was du dich begeistern kannst? Eigenverantwortliche Projekte von A-Z mit einem eigenem Team in dem es einen Projektmanager gibt, der den Teil organisiert den du nicht organisieren willst und der evt. dir den Rücken frei hält für deine Arbeit?

    Fragen über Fragen Grüße aus Hamburg

  3. „Ich kann nur ganz schwer produktiv sein, wenn ich nach dem Rhythmus anderer arbeiten muss. Agenturarbeit bedeutet genau das.“ YESSS!Genau so isses.

    Hi Johannes, auch wenn der Artikel schon alt ist,und du jetzt wieder angestellt bist – dem kann ich echt nur beipflichten.

    Ich weiss nicht, ich habe das Gefühl, wenn ich für mich alleine arbeite , in MEINER Arbeitsumgebung, auch mit meiner Hardware, die ich eingerichtet habe, ohne das Gefühl zu haben jemand guckt ständg was ,wann und wie ich es tue, funktionierts einfach am besten. Ich weiss auch nicht für was dieses “ du musst vor Ort sein“ gut sein soll. Warum kann ich mich um z.B um einen Entwurf zu machen, nicht raussetzen, in ein Cafe oder sonstwohin? Da wäre ich persönlich viel konzentrierter und inspirierter bei der Sache. Auch wenn ich z.B. ne aufwändige CSS Anpassung mache, Ich brauch da Ruhe bei. Kein Telefongeklingel, ständige Unterbrechungen, ich will auch mal fluchen können, dabei usw.usf…ich weiss gar nicht wie das bei uns die Programmierer machen, ich würde ausflippen mit den ganzen Unterbrechungen. Ich bin z.Zt. fest angestellt und das sind die Dinge die mich daran stören. Die Eingefahrenheit der Arbeitsweise. Das war schon immer so. 🙁 ??? warum ist das so in den Köpfen. argh. viele grüsse, eine ehemalige MP’lerin 🙂

  4. „Ich kann nur ganz schwer produktiv sein, wenn ich nach dem Rhythmus anderer arbeiten muss. Agenturarbeit bedeutet genau das.“ YESSS!Genau so isses.

    Hi Johannes, auch wenn der Artikel schon alt ist,und du jetzt wieder angestellt bist – dem kann ich echt nur beipflichten.

    Ich weiss nicht, ich habe das Gefühl, wenn ich für mich alleine arbeite , in MEINER Arbeitsumgebung, auch mit meiner Hardware, die ich eingerichtet habe, ohne das Gefühl zu haben jemand guckt ständg was ,wann und wie ich es tue, funktionierts einfach am besten. Ich weiss auch nicht für was dieses “ du musst vor Ort sein“ gut sein soll. Warum kann ich mich um z.B um einen Entwurf zu machen, nicht raussetzen, in ein Cafe oder sonstwohin? Da wäre ich persönlich viel konzentrierter und inspirierter bei der Sache. Auch wenn ich z.B. ne aufwändige CSS Anpassung mache, Ich brauch da Ruhe bei. Kein Telefongeklingel, ständige Unterbrechungen, ich will auch mal fluchen können, dabei usw.usf…ich weiss gar nicht wie das bei uns die Programmierer machen, ich würde ausflippen mit den ganzen Unterbrechungen. Ich bin z.Zt. fest angestellt und das sind die Dinge die mich daran stören. Die Eingefahrenheit der Arbeitsweise. Das war schon immer so. 🙁 ??? warum ist das so in den Köpfen. argh. viele grüsse, eine ehemalige MP’lerin 🙂

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